Aus Unfällen lernen: Lichtbogenunfall an einer SF6-Mittelspannungsschaltanlage

An einer 10 kV-Schaltanlage mit Motorantrieb erlitt ein Monteur schwere Brandverletzungen durch einen Schaltlichtbogen. Hersteller der 1996 errichteten Anlage vom Typ BTL-S 104 war die Concordia Sprecher-Schaltgeräte GmbH. Nach mehreren Rechtsnachfolgern (Alstom, Areva) ist heute Schneider Electric GmbH der Ansprechpartner.

Einem Sachverständigengutachten zufolge waren zwei mechanische Fehler die Ursache für die Entstehung eines Schaltlichtbogens in einem kombinierten Last-/Erdtrennschalter. Eine defekte Sperrklinke hat den beweglichen Schaltkontakt beim Erreichen der AUS-Stellung nicht blockiert. Zusätzlich hat ein defekter Endschalter den Motorantrieb in der AUS-Stellung nicht abgeschaltet. In der Folge bewegte sich der Schaltkontakt über die AUS-Stellung hinaus in Richtung des Erdkontaktes, jedoch mit zu geringer Geschwindigkeit und Betätigungskraft. Da am Abgangskabel eine Rückspannung anstand, zündete im Schalter ein Lichtbogen, der nicht gelöscht werden konnte und letztlich zur Zerstörung des Schalters führte.

Nach dem Ansprechen der Berstscheibe sind die Lichtbogengase nach unten in den aufgeständerten Doppelboden ausgetreten. Die Bodenöffnung rechts neben der Schaltanlage (Pfeil in der Abbildung) ermöglichte das Entweichen der Lichtbogengase in den Aufstellungsraum der Schaltanlage. Der Monteur erlitt dadurch erhebliche Brandverletzungen.

Den Unterlagen des Herstellers zufolge ist die Schaltanlage wartungsfrei. Außerdem ist während der Betriebszeit von 19 Jahren keine Schaltung dokumentiert und hat demzufolge mutmaßlich auch nicht stattgefunden. Dieses langjährige Fehlen jeglicher Bewegung der mechanischen Schaltelemente hat dem Gutachten zufolge das mechanische Fehlverhalten der Anlage begünstigt.

Die Errichtungsbestimmung für Starkstromanlagen über 1 kV (DIN VDE 0101) fordert seit dem Jahr 2000, dass heiße Gase und Dämpfe von Störlichtbögen gefahrlos ins Freie abzuführen sind (siehe auch Abschnitte 5.2.1.5 und 7.4 der Norm). Für Schaltanlagen, die vor dem Jahr 2000 errichtet wurden, gab es diese Forderung nicht. Die Anlagen wurden in der Regel so errichtet, dass freigesetzte Lichtbogenenergie in Kabelkanäle oder aufgeständerte Böden entweichen konnte.

Schaltanlage mit Bodenöffnung (roter Pfeil) nach dem Unfall.
Schaltanlage mit Bodenöffnung (roter Pfeil) nach dem Unfall.

 

Maßnahmen zur Unfallverhütung
Wenn Lichtbogengase nicht gefahrlos ins Freie, sondern in Doppelböden oder in Kabelkanäle geleitet werden, müssen diese geschlossen sein und ein Entweichen der heißen Gase verhindern.

Im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung sollten Betreiber insbesondere älterer Schaltanlagen prüfen, ob für Beschäftigte bei Arbeiten wie zum Beispiel Schalthandlungen ein Verletzungsrisiko durch Lichtbogengase besteht. Erforderlichenfalls muss eine Elektrofachkraft geeignete Maßnahmen festlegen.

Der Unfall zeigt auch, dass gasisolierte Schaltanlagen (GIS) von der Beurteilung des Lichtbogenrisikos nicht grundsätzlich ausgenommen werden können.

Kontakt: elektrogefahr@bgetem.de

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