Explosionsgefahren in der Kanalisation
Von der Kenntnis der Explosionsgefahren und der explosionsgefährdeten Bereiche in Kanalisationsanlagen hängt nicht nur die Betriebssicherheit der Anlagen ab, sondern vor allem auch die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten, die dort tätig werden.
In die Kanalisation können durch Unfälle oder Störfälle brennbare Flüssigkeiten und Gase eindringen oder unerlaubt eingeleitet werden. Dies können z. B. Lösungs- oder Reinigungsmittel aus Haushaltungen sein, die auch schon in geringen Mengen in Teilen des Kanalnetzes eine explosionsfähige Atmosphäre erzeugen können, oder bei Verkehrsunfällen auslaufendes Benzin. Auch ein Eindringen von Erdgas ins Kanalnetz ist möglich, wenn z. B. bei Bauarbeiten Leitungen der öffentlichen Gasversorgung beschädigt wurden.
Mit der Bildung von Faulgas muss bei langen Transportwegen oder langen Verweilzeiten des Abwassers gerechnet werden, insbesondere dort, wo sich fäulnisfähige Stoffe absetzen können, wie z. B. in Pumpensümpfen, Stauraumkanälen oder umschlossenen Regenbecken. Bei Pumpensümpfen können sich zudem brennbare Flüssigkeiten wie Benzin, die leichter als Wasser sind, auf der Wasseroberfläche ansammeln. Diese Schicht wird durch den üblichen Pumpenbetrieb oft nicht erfasst, weil stets eine gewisse Restmenge im Pumpensumpf verbleibt, sodass derartige Pumpensümpfe wie Abscheider wirken.
Explosionsgefahr am Beispiel Benzin
- Benzin schwimmt auf der Wasseroberfläche (spezifisches Gewicht = 0,78) und kann so schnell durch die Kanalisation bis in den Zulauf der Kläranlage gelangen.
- Benzin bildet brennbare Dämpfe, die schwerer sind als Luft und sich in den tief liegenden Anlageteilen der Kanalisation sammeln und eine gefährliche explosionsfähige Atmosphäre bilden können.
- Benzin hat einen Flammpunkt von minus 33° C, die Zündgrenzen in Luft liegen bei 0,8 Vol.-% (UEG) und 7,0 Vol.-% (OEG).
Wichtig zu wissen:
Ca. 5 ml Benzin genügen, um ein 200 Liter Fass mit explosionsfähiger Atmosphäre zu füllen!
Beurteilung der Gefährlichkeit explosionsfähiger Atmosphäre
Mehr als 10 Liter zusammenhängende explosionsfähige Atmosphäre müssen in geschlossenen Räumen unabhängig von der Raumgröße grundsätzlich als gefährliche explosionsfähige Atmosphäre angesehen werden. Für Räumen unter 100 m3 gilt: 1/10.000 des Raumvolumens.
Auch kleinere Mengen können bereits gefahrdrohend sein, wenn sie sich in unmittelbarer Nähe von Menschen befinden.
Beurteilung der Explosionsgefahr
Hilfestellung für die Beurteilung der Explosionsgefahr und die Zoneneinteilung bietet Punkt 4.1 der EX-RL Beispielsammlung zur DGUV-Regel 113-001.
Lüftungstechnischen Maßnahmen und der Überwachung der Gaskonzentration als primäre Explosionsschutzmaßnahmen kommt dabei in Kanalisationsanlagen eine besondere Bedeutung zu.
In der DGUV Regel 103-602 "Branche Abwasserentsorgung" sind Anforderungen an lüftungstechnische Maßnahmen und die Überwachung der Gaskonzentration sowie die erforderlichen organisatorischen Maßnahmen beschrieben.
Werden Arbeiten in explosionsgefährdeten Bereichen von Kanalisationen und Sonderbauwerken durchgeführt, ist im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung ein Explosionsschutzkonzept (Explosionsschutzdokument) für diese Anlagen zu erstellen. Informationen hierzu enthält das Merkblatt der "DWA-M 217: Explosionsschutz für abwassertechnische Anlagen" sowie die DGUV Information 213-106 "Explosionsschutzdokument".
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