Branchenspezifische Gefährdungen

Zu den branchenspezifischen Gefährdungen bei Errichtung und Betrieb von WEA zählen insbesondere mechanische und elektrische Gefährdungen sowie Gefährdungen durch Absturz und Gefahrstoffe. Bei Offshore-WEA ist darüber hinaus von zusätzlichen Gefährdungen, wie z. B. durch Ertrinken, Wetter- und Meereseinflüsse oder beim Personentransfer auf dem Wasser- oder Luftweg auszugehen.

Im Folgenden können nur die wichtigsten Gefährdungen bei Errichtung und Betrieb von WEA erwähnt und ggf. kurz behandelt werden. Für eine Übersicht zu Gefährdungen und geeigneten Schutzmaßnahmen wird auf die DGUV Information 203-007 "Windenergieanlagen" verwiesen.

In den "Themen von A-Z" sind Informationen zur Durchführung und Dokumentation einer Gefährdungsbeurteilung sowie eine Zusammenstellung von Mustern und Medien zu diesem Thema zu finden. Gefährdungsbeurteilungen stellen eine wichtige Grundlage für Betriebsanweisungen und Unterweisungen, die Qualifizierung der Mitarbeiter für Arbeiten in und an WEA sowie für das Rettungskonzept dar.

Bei Gefährdungsbeurteilungen bzgl. WEA müssen insbesondere die jeweiligen spezifischen Arbeitsumgebungsbedingungen vor Ort betrachtet werden, da sich diese in vielen Punkten signifikant voneinander unterscheiden können. Beispiele hierfür sind der Standort (Onshore, Offshore), die Erreichbarkeit der Anlage, der Anlagentyp und seine Ausrüstung, (Aufzugsanlage, Steigschutzsysteme) sowie die Mobilfunkerreichbarkeit.

Dem Arbeitsverantwortlichen sollten geeignete einfache Möglichkeiten an die Hand gegeben werden, mit denen er und sein Team unmittelbar vor Arbeitsbeginn prüfen können, ob im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung alle Gefährdungen erkannt und geeignete Schutzmaßnahmen geplant wurden. Beispielhaft seien hier die ergänzende Gefährdungsbeurteilung vor Arbeitsbeginn sowie das sogenannte "last minute risk assessment" (LMRA) genannt.

Auswirkungen von Stromunfällen sind i. Allg. schwerwiegender als der Durchschnitt aller Arbeitsunfälle. Der Anteil tödlicher Stromunfälle, bezogen auf die meldepflichtigen Stromunfälle, liegt etwa 20 Mal höher als der Anteil tödlicher Arbeitsunfälle an allen meldepflichtigen Arbeitsunfällen. Daher ist es wichtig, Stromunfällen mit technischen, organisatorischen und personenbezogenen Maßnahmen gezielt vorzubeugen. Die elektrischen Primärgefährdungen sind die Körperdurchströmung und Gefährdungen durch Störlichtbögen.

Elektrische Gefährdungen können grundsätzlich von allen stromführenden Leitungen und elektrischen Anlagenteilen wie z. B. Schaltanlagen ausgehen. Diese Gefährdungen sind jeweils in der vom Unternehmer zu erstellenden Gefährdungsbeurteilung zu berücksichtigen und entsprechende Schutzmaßnahmen festzulegen. Die Broschüre der IVSS "Elektrische Gefährdungen ‑ Ermittlung und Bewertung von Gefährdungen; Festlegen von Maßnahmen" gibt Hilfestellungen für die Gefährdungsbeurteilung.

Bei Arbeiten an elektrischen Anlagen und Betriebsmitteln ist die DGUV Vorschrift 3 "Unfallverhütungsvorschrift Elektrische Anlagen und Betriebsmittel" einzuhalten (bisher: BGV A3). Darüber hinaus enthält die DGUV Information 203‑001 "Sicherheit bei Arbeiten an elektrischen Anlagen" (bisher: BGI 519) eine genauere Betrachtung der elektrischen Gefährdungen sowie eine Beschreibung geeigneter Schutzmaßnahmen, wie den "fünf Sicherheitsregeln".

Körperdurchströmung

Störlichtbögen

Prüfungen elektrischer Anlagen und Betriebsmittel an Windenergieanlagen

Lärm kann zu Gehörschädigungen und weiteren Gesundheitsgefahren führen. Beschäftigte müssen so weit wie möglich vor Gefährdungen durch Lärmeinwirkung geschützt werden (Minimierungsgebot). Lärm kann dabei an der Quelle beseitigt oder minimiert werden, indem entweder Lärmquellen abgeschaltet oder Arbeitsmittel in lärmgeminderter Ausführung ausgewählt werden.

Weitere mögliche Schutzmaßnahmen sind:

  • Minimierung von Expositionszeiten
  • Räumliche oder zeitliche Trennung von lärmintensiven und nicht lärmintensiven Arbeiten
  • Beschränkung der Lärmexposition auf wenige Beschäftigte

Wenn technische oder organisatorische Schutzmaßnahmen für eine ausreichende Lärmminderung nicht ausreichen, ist persönliche Schutzausrüstung (PSA) in Form von Gehörschutz (Kapselgehörschützer oder Gehörschutzstöpsel) erforderlich. Ihre Benutzung darf nicht dazu führen, dass akustische Signale sowie Gefahr ankündigende Geräusche nicht mehr wahrgenommen werden.

Geeignete Schutzmaßnahmen werden in der Gefährdungsbeurteilung festgelegt und den Beschäftigten durch Betriebsanweisungen und Unterweisungen vermittelt. Je nach ermitteltem Tages-Lärmexpositionspegel ist eine arbeitsmedizinische Vorsorge anzubieten ("Angebotsvorsorge") oder verpflichtend ("Pflichtvorsorge").

Zur Verhinderung von unzulässigen Expositionen durch elektromagnetische Felder sind an Funkstandorten generell die Expositionsbereiche zu ermitteln, die Bereiche erhöhter Exposition sowie Gefahrenbereiche zu kennzeichnen und abzugrenzen. Die entsprechenden Informationen können i. Allg. einer entsprechenden Beschilderung im Zugangsbereich der WEA entnommen werden.

Als Schutzmaßnahme in der Nähe angebrachter Funkantennen ist stets ein ausreichender Sicherheitsabstand einzuhalten. Im Bereich von Mobilfunkantennen ist üblicherweise ein Mindestabstand von 1 m zur Sendeantenne ausreichend. Arbeiten in einem geringeren Abstand zur Antenne bzw. in Bereichen erhöhter Exposition dürfen erst nach Abschaltung der Antennen oder erwiesener Leistungsreduzierung durchgeführt werden.

Weitere Informationen zu Gefährdungen und geeigneten Schutzmaßnahmen können der DGUV Information 203-060 "Arbeiten an Funkstandorten" (bisher: BGI/GUV‑I 8691) entnommen werden.

Enge Räume in WEA können verschiedene Bereiche oder Übergänge innerhalb der Nabe, der Rotorblätter, des Maschinenhauses sowie Bereiche unterhalb der Zugangsebene sein.

Bei der Gefährdungsbeurteilung für Arbeiten in engen Räumen ist die DGUV Regel 113‑004 "Arbeiten in Behältern, Silos und engen Räumen" (bisher: BGR/GUV‑R 117‑1) zu berücksichtigen.

Bei Arbeiten in engen Räumen ist mit einer veränderten Atmosphäre (gefährliche Gefahrstoffkonzentrationen, Sauerstoffmangel) zu rechnen. Außerdem ist von erhöhten elektrischen Gefährdungen auszugehen (siehe auch: DGUV Information 203‑004 "Einsatz von elektrischen Betriebsmitteln bei erhöhter elektrischer Gefährdung" (bisher: BGI 594)).

Zusätzlich können in engen Räumen aufgrund eingeschränkter Bewegungsfreiheit und fehlender Ausweichmöglichkeiten spezifische Gefährdungen und Belastungen auftreten. Hierzu zählen beispielsweise Zwangshaltungen, Anstoßmöglichkeiten, erhöhte körperliche und psychische Belastungen sowie eingeschränkte Rettungsmöglichkeiten.

Vor Arbeiten in engen Räumen ist grundsätzlich ein besonderes Erlaubnisverfahren festzulegen und durchzuführen, das für die jeweils durchzuführenden Arbeiten konkrete Schutzmaßnahmen vorgibt ("Erlaubnisschein"). Auf ein solches Verfahren darf zugunsten einer besonderen Betriebsanweisung nur dann verzichtet werden, wenn wiederkehrend gleichartige Arbeitsumgebungsbedingungen und Gefährdungen vorliegen.

Für die Arbeiten sind ein Aufsichtführender und ein Sicherungsposten zu bestimmen. Schutzmaßnahmen wie z. B.

  • eine sichere Verständigungsmöglichkeit zum Sicherungsposten, um jederzeit Rettungsmaßnahmen einleiten zu können,
  • Durchführung von Lüftungsmaßnahmen und Messungen vor Betreten / Befahren / Einsteigen und ggf. kontinuierlich, um sicherzustellen, dass keine gesundheitsschädliche Atmosphäre vorliegt, und
  • Auswahl ortsveränderlicher elektrischer Betriebsmittel entsprechend der Bedingungen vor Ort

sind im Vorfeld festzulegen (Erlaubnisverfahren) und vom Aufsichtführenden umzusetzen.

  • Webcode: 18686276