Rückbau von Kernkraftwerken: Arbeitsschutz frühzeitig einplanen

Deutschland arbeitet an einer Energiewende. Bis 2025, so die Pläne der Bundesregierung, soll der Energieanteil an der Stromerzeugung aus Sonne, Wind und Co auf 40 bis 45 % ausgebaut werden. Heute sind es knapp 26 Prozent. Auf die Kernkraft will man in Zukunft verzichten. Der Rückbau von Kernkraftwerken ist ein langwieriges Unterfangen, das besondere Sorgfalt erfordert. Wie kann ein Arbeitsplatz im Kernkraftwerk beim Rückbau sicher gestaltet werden? Fragen dazu beantwortet Thomas Ludwig, Leiter des Fachgebietes Strahlenschutz bei der BG ETEM.

Um die Arbeitssicherheit der Beschäftigten in Kernkraftwerken zu gewährleisten, sind Aufgaben und Pflichten von Arbeitgebern und Arbeitnehmer in staatlichen und berufsgenossenschaftlichen Regelwerken beschrieben. Decken diese Vorschriften auch die Arbeiten ab, die bei einem Rückbau anfallen?

Ludwig: Ja, alle Vorschriften und Regeln im Arbeitsschutz sind selbstverständlich auch auf die Rückbauarbeiten anzuwenden. Dies sind insbesondere die Unfallverhütungsvorschrift "Kernkraftwerke" (DGUV Vorschrift 32, vormals BGV C16), die Strahlenschutzverordnung und die Anforderungen aus dem atomrechtlichen Genehmigungsverfahren.

Es sind bereits einige Kernkraftwerke zurück gebaut worden. Welche Erfahrungen hat man dabei gesammelt?

Ludwig: Der Rückbau des ersten deutschen Kernkraftwerkes in Kahl wurde bereits vor über 25 Jahren begonnen. Seit dieser Zeit sind mehrere Anlagen zurückgebaut worden oder befinden sich zurzeit im Rückbau. Deshalb gibt es einen sehr großen Erfahrungsschatz hinsichtlich der Techniken, der Organisation und Planung. Dazu gehört auch die Gestaltung der notwendigen Strahlenschutz- und Arbeitsschutzmaßnahmen - insbesondere im Hinblick auf den Einsatz von Fremdfirmen. Aufgrund der vielfältigen Schutzmaßnahmen ist das Unfallgeschehen gegenüber anderen Rückbauprojekten in der Industrie sehr gering. Wichtig ist aber, dass der Arbeits- und Strahlenschutz sehr früh in die Planung der einzelnen Rückbauprojekte eingebunden wird.

Eine besondere Gefährdungsquelle in einem Kernkraftwerk ist die ionisierende Strahlung. Beim Rückbau werden Anlagenteile demontiert. Dabei kann auch eine Gefährdung durch offene radioaktive Stoffe und deshalb auch durch Kontaminationen auftreten. Wie wird der Schutz der Mitarbeiter gegenüber kontaminierten Bauteilen gewährleistet?

Ludwig: Die Schutzmaßnahmen richten sich nach den Anforderungen des Rückbaus. Ziel ist immer, die Mitarbeiter einer möglichst geringen direkten Strahlung auszusetzen. Dazu können zum Beispiel die Aufenthaltszeiten in Strahlungsfeldern minimiert werden. Oder es werden zusätzliche Abschirmungen angebracht. Sehr wirkungsvoll ist ein großer Abstand zu Strahlungsquellen. Eine Inkorporationsgefahr - das ist die Aufnahme radioaktiver Stoffe in den Körper - wird durch technische Maßnahmen wie Einhausungen mit Absauganlagen und persönlicher Schutzausrüstung wie Atemschutz, verhindert.

Kontaminierte Bauteile werden durch mechanische und chemische Verfahren gereinigt und dürfen nur unterhalb der zulässigen Kontaminationsgrenzwerte das Kernkraftwerk verlassen. Der weit überwiegende Anteil kommt dadurch wieder in den normalen Wirtschaftskreislauf zurück.

Bei einem Rückbau werden auch Fremdfirmen beschäftigt, die nicht regelmäßig in solch einem Umfeld arbeiten und mit den Sicherheitsbestimmungen vertraut sind. Was kann der Kraftwerkseigner tun, um die Sicherheit dieser Beschäftigten zu gewährleisten?

Ludwig:Bereits bei der Planung eines Rückbauprojektes werden die erforderlichen Schutzmaßnahmen, die eine Fremdfirma einzuhalten hat, genau festgelegt. Die Einhaltung dieser Vorgaben ist die grundsätzliche Vorraussetzung für den Beginn einer Tätigkeit im Kernkraftwerk. Auch die Fremdfirmen müssen eine ausreichende Arbeitsschutzorganisation haben.

Bevor der Mitarbeiter einer Fremdfirma eine Tätigkeit in einem Kernkraftwerk aufnimmt, muss er eine umfangreiche Schulung absolvieren. Sie informiert ihn über die Gefährdungen auf dem Kraftwerksgelände. Der Betreiber gewährleistet durch ein besonderes Fremdfirmenmanagement, dass die Mitarbeiter sicher arbeiten können. Maßnahmen sind z. B. Gefährdungsbeurteilungen im Vorfeld, spezielle Freigabeverfahren und arbeitsplatzbezogene Einweisungen sowie Werkverträge mit klaren Abgrenzungen. Regelmäßige und häufige Begehungen durch Sicherheitsfachkräfte, Koordinatoren und Strahlenschutzfachkräfte sind insbesondere bei Rückbauprojekten wichtig. Der Kraftwerkseigner kann darüber hinaus durch eine verstärkte Präsenz des verantwortlichen Personals vor Ort die notwendigen Arbeitsschutzmaßnahmen kontrollieren.

Hat es bislang bei einem Rückbau einen Strahlenunfall gegeben?

Ludwig: Ein Strahlenunfall ist gemäß Strahlenschutzverordnung ein Ereignis, bei dem ein Beschäftigter beruflich bedingt eine Dosis von mehr als 50 mSv (Millisievert) erhalten haben kann. Ein solches Ereignis ist bisher beim Rückbau nicht eingetreten.

Video: Rückbau von Kernkraftwerken

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